Julia Bugram „Female Powers: Nature & Resistance”
art-lodge 23.06. bis 10.09.2023
Julia Bugram (*1988 in Wien) ist eine interdisziplinäre Künstlerin, deren bisheriges Œuvre in Grafiken, Objekten und Installationen Ausdruck findet. Inhaltlich bewegt sie sich an den Schnittstellen von Kunst und gesellschaftspolitischem Diskurs. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass sie Mitbegründerin der Initiative JOMO – Joy of Missing Out[1] ist und im Vorstand des 1977 gegründeten feministischen Kunstnetzwerks IntAkt – internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen (intakt-kuenstlerinnen.com) sitzt. Sie ist Mitglied im Künstlerhaus Wien (k-haus.at) sowie beim Saloon Vienna (saloon-wien.at).
Mit der Installation „Raising Hands“[2] schuf sie eine partizipative Skulptur aus einer Million 1-Cent-Münzen als Friedenssymbol und Zeichen für Gemeinschaft & solidarisches Handeln.
Hier und in allen ihren Arbeiten verfolgt Julia ihr Credo: „Kunst ist politisch. Ob gesellschaftliche Ansagen oder Ruhepol in der Natur: Wie wir miteinander umgehen, ist nicht egal.“
Female Powers: Nature & Resistance
Strukturell benachteiligende Machtsysteme, Ungleichgewichte, Diskriminierung oder erfahrene Gewalt: Wenn wir genau hinsehen, ist kaum jemand von uns nicht auf irgendeine Art und Weise von den Auswirkungen betroffen. Toxische Bilder, wie Männer* und Frauen* zu sein haben, binäres Denken und Negieren von Nivellierungen zum Gender-Konstrukt – unsere Gesellschaft ist voll der Stereotype und der damit verbundenen Erwartungshaltungen an Individuen. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen und Herausforderungen, die die immer noch ungebremst wirkenden patriarchalen Strukturen mit sich bringen, sind unübersehbar.
Gerade in Österreich, in einer Demokratie, die aus den Top 20 des weltweiten Korruptions-Index geflogen ist[3], im Global Gender Gap nur noch Platz 47 einnimmt[4] und in der jede dritte Frau von Gewalt betroffen ist[5], sind es besonders Künstler_innen und Kulturschaffende im Allgemeinen, die sich dieser Phänomene annehmen.
Julia Bugrams Statement hierzu: „Als Künstlerin finde ich es besonders wichtig, auf ebendiese hinzuweisen. Wo möglich, auch alternative Lösungswege aufzuzeigen, jedenfalls aber auch mehr Bewusstsein für Missstände zu schaffen. Insofern verstehe ich die Kunst auch als gesellschaftlichen, moralischen Kompass. Wir müssen uns wehren und Widerstand ist wichtig! Ich sehe es als eine essenzielle (weibliche) Eigenschaft, starke Emotionen (wie auch z.B. Wut) FÜR die Sache zu nutzen. Nicht als niederschmetternde wilde Raserei, sondern kanalisiert, zielgerichtet. Das macht uns stärker. Auch der Austausch mit Gleichgesinnten unterstützt uns hierbei.“
In ihrem Schaffen kommen einerseits ihre klare politische Haltung, andererseits ihr konzentrierter Blick auf die Schönheit der Natur zum Ausdruck. Beide Aspekte sind ihr wichtig, um die Balance nicht zu verlieren und auf die Ruhe und kraftspendende Körperlichkeit der Natur zurück zu greifen. Gerade bei gesellschaftlichen Kämpfen ist es oft auch das Recht auf den eigenen Körper, das durch leicht veränderbare Machtstrukturen in Gefahr geraten kann.
Im Kontext ihrer Werkreihe „Sexualisierung & Selbstbestimmung“ zeigt Julia in dieser Ausstellung Arbeiten aus der Serie „alles was du sehen willst…“. Hier bezieht sie sich auf klassische Darstellungen weiblicher Körper – diesmal allerdings mit von den portraitierten Frauen selbstgewählten, teilweise kämpferischen oder alternativ sehr entspannten Haltungen. Kontrastierend dazu wirken die im strengen und vielfältig assoziierbaren 20 cm-Format gefertigten Kohlezeichnungen der Reihe „It’s a match“ Abbildungen von männlichen Torsi, gefunden auf Basis einschlägiger Algorithmen von Dating-Plattformen. Auch hier drängt sich die Frage nach der Selbst-Ermächtigung der eigenen Körperdarstellung und ihrer Rezeption auf.
Den fast träumerischen, aber ästhetisch nicht weniger auf die Spitze getriebenen Gegenpart ihrer Arbeit bietet Julia mit ihren Naturdarstellungen an: Die Scherenschnitte visualisieren mit jeweils dem „Gegenpart“ des Ausschnittes die Kraft der Natur und ihrer Fähigkeit zur Reproduktion, auch und gerade außerhalb menschlichen Wirkens. Die artifizielle Darstellung der Ätzradierungen „Yin“ und „Yang“ sprechen in ihrer Ästhetik für sich und laden zum Genuss der von der Natur angebotenen Kontemplation ein.
[1] JOMO - Joy of Missing Out sind interdisziplinäre Expert*innengespräche zu Kunst und Kultur und schaffen einen zeitgemäßen, offenen Umgang mit Themen, die in der Kunstwelt gerne unerwähnt bleiben. Zu jedem Termin greifen zwei Expert*innen jeweils "ihr" Thema auf und erörtern es durch Fragen des Publikums – wobei die „Freude des Verpassens“ konstitutiv für das Format ist. [2] „Raising Hands“ ist eine gemeinschaftlich erstellte Skulptur aus einer Mio. 1-Cent-Münzen in Form von zwei sich helfenden Händen. Über zweieinhalb Jahre haben mehr als 3.800 Menschen mitgeholfen, dieses Symbol für Gemeinschaft und solidarisches Verhalten umzusetzen und „Raising Hands“ zu erschaffen. Ein Jahr lang stand die Skulptur im Herzen Wiens am Stephansdom. [3] „Im Jahr 2022 wurde Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index - CPI) mit 71 Punkten bewertet. Damit nahm die im öffentlichen Sektor des Landes wahrgenommene Korruption das dritte Jahr in Folge zu, und im internationalen Vergleich fiel es auf Platz 22 zurück.“ Quelle: Statista.de / CPI [4] The Global Gender Gap Index rankings, 2023 [5] Die Presse.at